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Bahasa dan Budaya Indonesia : Sprache und Kultur Indonesiens
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Kind aller Völker (Pramoedya Ananta Toer)


In der Tetralogie »Bücher der Insel Buru« des indonesischen Schriftstellers Pramoedya Ananta Toer, auf der Gefangeneninsel Buru begonnen und unter Stadtarrest vollendet, wird die Auseinandersetzung mit der Macht und den Mächtigen seit der Jahrhundertwende zum literarischen Leitthema. »Kind aller Völker«, der zweite, in sich geschlossene Band, knüpft an »Garten der Menschheit« an. Im Mittelpunkt steht der Journalist Minke, der junge Javaner aus adligem Hause. Als seine Frau von den holländischen Kolonialherren verschleppt und getötet wird, regt sich in Minke der Widerstand. Sein anfänglich überschwenglicher Glaube an die »Europäisierung« wirdschwer erschüttert und weicht einer wachsenden Skepsis. Zusammen mit einer Bauernfamilie wagt er es, sich gegen die Landnahme der Holländer aufzulehnen. ISBN 3-293-20047-8 Unionsverlag
Leseprobe Annelies war auf See. Ihr Scheiden kam dem vorzeitigen Verpflanzen eines Stecklings gleich. Die Trennung bedeutete einen Markstein in meinem Leben: Die Jugendzeit war vorbei. Ja, die schöne Jugend voller Hoffnungen und Träume - sie kehrte nie wieder. Die Sonne bewegte sich kaum in jener Zeit, sie kroch Zentimeter um Zentimeter durchs All wie eine Schnecke. Langsam, ganz langsam - ohne sich darum zu kümmern, ob sie die durchlaufene Strecke je wiederholen würde oder nicht. Am Himmel hingen oft dünne Wolken, nicht gewillt, auch nur den leisesten Nieselregen fallen zu lassen. Die Stimmung war so grau, als hätte die Welt alle übrigen Farben verloren. Die alten Leute erzählen in ihren Sagen von einem mächten Gott namens Kala - Batara Kala. Er sei es, der alles immer weiter vom Ausgangspunkt wegtreibe, unaufhaltsam, in eine Richtung, die niemand vorausahnen könne. Auch ich, der wie andere Menschen der Zukunft blind gegenüberstand, konnte nur hoffen, sie einmal zu kennen. Ach, wo wir nicht einmal die Vergangenheit kennen! Vor dem Menschen, so heißt es, liegt nichts als eine Strecke, begrenzt durch den Horizont. Sowie man sie begeht, rückt der Horizont weiter weg. Die Entfernung bleibt - auf ewig - bestehen. Und der Horizont in der Ferne ebenfalls - ewig. Keine Romantik war stark genug, sie zu bezwingen und zu ergreifen - die ewige Distanz und den ewigen Horizont. Batara Kala hatte Annelies über weite Strecken geführt, mich selbsr auch, aber über andere Strecken, die immer weiter auseinanderführten, immer weiter ins Ungewisse. Der stets wachsende Abstand ließ mich erkennen: Sie war nicht einfach ein zerbrechliches Püppchen. Wer so tief lieben konnte, war keine Puppe. Wahrscheinlich war sie überhaupt die einzige Frau, die mich aufrichtig geliebt hatte. Und je weiter Batara Kala sie von mir wegtrieb, desto deutlicher fühlte ich, dass auch ich sie wirklich liebte. Wie alles andere hat auch die Liebe einen Schatten. Und der Schatten der Liebe heißt Schmerz. Es gibt nichts ohne Schatten, außer das Licht selbst ... Licht und Schatten weden von Batara Kala unweigerlich immer weiter fortgetrieben. Nichts kann zu seinem Ausgangspunkt zurückkehren. Möglicherweise ist dieser mächtige Gott das, was die Holländer de tands des tijds - den Zahn der Zeit - nennen. Er macht Scharfes stumpf, Stumpfes scharf, Kleines groß und Großes klein. Er drängt alles auf den Horizont zu, der selber immer weiter weg rückt ohne je greifbar zu sein. Der Vernichtung entgegen. Der Vernichtung, die Wiedergeburt bewirkt. Ich weiß nicht recht, ob das ein einigermaßen passender Anfang ist oder nicht. Aber alles muss ja irgendeinen Anfang haben. Und das hier ist nun also der Anfang meiner Aufzeichnungen.


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