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Das Mahabharata – Von Liebe und Macht (Otto Abt)


Was immer in dieser Welt vorkommt, das findet sich auch im Mahabharata; und was man darin nicht findet, das gibt es nirgendwo auf der Welt.“ So heißt es in einem der ersten Kapitel des bedeutendsten Epos der Hindus. Es ist Heldengedicht und Rechtslehrbuch zugleich. Die Mischung aus spannenden Geschichten und Darlegung sittlicher Gebote macht das Werk so einzigartig und hebt es über Raum und Zeit hinaus. Nichts, was Menschen tun, sich gegenseitig antun und tun sollten, bleibt ausgespart. Liebe, Laster, Leidenschaft, Verrat, Mut, Treue, Zweifel – die endlose Liste des Menschlichen, allzu Menschlichen wird personifiziert, namentlich benannten Helden und Schurken zugeordnet und in einer auch dem Leser, Hörer, Zuschauer des 21. Jahrhunderts verständlichen Weise dramatisiert: Das ist der pralle, üppige, sattfarbene Stoff, aus dem die Romane, Novellen, Poeme, Volkslieder, Theaterstücke aller Zeiten geschneidert wurden. Doch das Mahabharata will nicht nur unterhalten und das Publikum in Bann ziehen, es ist vielmehr Modell einer streng hierarchisch von oben nach unten strukturierten Gesellschaft, in der jedem Menschen ein ganz bestimmter Platz mit ganz bestimmten Pflichten und Rechten zugestanden wird: im Diesseits und im Jenseits. Es ist Verhaltenskodex, an dem sich Verhaltensweisen auszurichten haben im Dienste von Ethik, Recht und Moral. In einer ganzen Reihe volkstümlicher Nacherzählungen der Kerngeschichten erreichte das Mahabharata bis heute Generationen deutscher Leser. Die vorliegende Sammlung ist in guter Tradition. 182 Seiten ISBN 9783895021244 Horlemann Verlag Leseprobe

Gangga begegnet Sentanus Vater

Von der Wirkkraft der Meditation Vor uralten Zeiten lebte im Reiche Bharata ein mächtiger König. Sein Volk liebte ihn sehr, weil er gerecht zu jedermann und immer für seine Untergebenen da war. Seine ganze Freude war sein Sohn Sentanu, der einmal das Reich übernehmen und König werden sollte. Voll Stolz blickte der Vater auf ihn. Sentanu war ein hübscher junger Mann, dessen Angesicht vor Kühnheit glühte. Er war gesund und in allen Künsten bwandert, dazu hilfsbereit und von freundlichem Wesen. Er hatte all diese Tugenden von seinen Eltern erworben, ohne dabei seine Bescheidenheit zu verlieren. Eines Tages saß der Vater in tiefem Gebet versunken an seinem Lieblingsplatz in einem schattigen Wäldchen. Er meditierte. Keiner seiner Diener war bei ihm. Plötzlich hörte er neben sich ein Rascheln. Der König versuchte, nicht darauf zu achten, doch das Rascheln hörte nicht auf. Er öffnete seine Augen. Da, träumte er? Neben ihm saß ein junges Mädchen, von einer solchen Schönheit, wie er es noch nie erlebt hatte. Der alte König erschrak. Das junge Mädchen merkte das wohl, lächelte und begann leise und sehr eindringlich zu sprechen mit einer Stimme, die so zärtlich klang wie der Ton der Bambusflöte: "Ich bin Dewi Gangga, die Flußgöttin. Ich weiß, König, dass Ihr mit allem zufrieden seid und Euer Glück in der Stille des Gebetes gefunden habt. Ich weiß aber außerdem, dass Euch insgeheim eine Sorge plagt, wenn Ihr auch nicht darüber sprechen wollt. Ihr macht Euch Gedanken, wer einmal die Nachfolge auf Euren Thron übernehmen wird, wenn Ihr und später Euer Sohn tot seid. Ich möchte Euch diese Sorge nehmen, indem ich Euch anvertraue, dass ich einmal die Frau Eures Sohnes sein und ihm einen Sohn gebären werde." Der König wollte noch etwas sagen, aber das Mädchen entschwand freundlich lächelnd seinen Blicken. Eine ganze Weile blieb er noch regungslos sitzen und wusste, die Zukunft seines Königgeschlechtes lag in guten Händen. Und immer mehr wurde ihm auch gleichzeitig klar, dass er mit niemandem über die Begegnung sprechen würde, ehe nicht Sentanu Dewi Gangga geheiratet hätte. Er stand auf, dankte dem Himmel und kehrte zu seinem Schloss zurück. Nach einigen Wochen rief der König seinen Sohn herbei und sprach zu ihm: "Heute möchte ich dir mein Geheimnis verraten. Du bist nun herangewachsen und hast die Reife erreicht, um das zu sehen, was ich dir jetzt zeigen werde. Komm mit mir!" Vater und Sohn verließen das Schloss. Sentanu spürte, dass der Vater ihm heute etwas Besonderes anvertrauen wollte, und fühlte sich deshalb geehrt. Die beiden Männer schritten schweigend nebeneinander her. Der Weg führte sie zum Fluss. Sie stiegen eine kleine Höhe hinauf, die mit einem lichten Wäldchen bewachsen war. Der schmale Pfad war im Dickicht der Pflanzen kaum zu sehen. Der Vater ging voran und hielt unter einer hohen Palme inne: "Hier lassen wir uns nieder!" Sie setzten sich auf einen Lavastein. Sentanu wagte nicht, die Stille zu brechen. Erst jetzt vernahm er den Klang der Vögel in den Bäumen, das sanfte Rauschen des Flusses, der zu ihren Füßen dahinzog. Sein Blick wanderte weiter über das im Sonnenschein glitzernde Wasser über das helle Grün der Reisfelder bis hin zu den Gebäuden des Schlosses, deren Dächer golden schimmerten. Nach einer Weile sprach der Vater in die Stille hinein: "Sentanu, ich weiß, dass du mich verstehst, wenn ich dir nun mein Geheimnis anvertraue." Der Sohn nickte nur stumm und setzte nach einer Weile zögernd hinzu: "Vater, ich glaube, ich kenne es schon. Du brauchst es mir nicht mehr zu sagen. Deine Ruhe, deine Friedfertigkeit und Kraft holst du dir hier von diesem Ort. Hier begegnest du den Göttern." Der Vater lächelte und legte schweigend seinen Arm um die Schultern seines Sohnes. Dann traten die beiden Männer den Heimweg an. Die Leute im Schloss meinten, noch nie hätten sie zwei Menschen so einträchtig beieinander gesehen und von ihren Gesichtern sei ein Glanz ausgegangen.


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